Abstract
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit einem aktuellen Sprachwandelphänomen, der Herausbildung verschiedener Bedeutungsvarianten des Adjektivs zeitnah(e). Während die Form gegen Mitte des 20. Jahrhunderts fast ausschließlich mit metaphorisch-deskriptiver Bedeutung zu finden ist, treten seit Beginn des 21. Jahrhunderts gehäuft zeitlich-deiktische Varianten dieser Form in Erscheinung, mit so verschiedenen kontextuellen Lesarten wie ‚umgehend‘, ‚schnell‘, ‚kurzfristig‘ oder ‚bald, demnächst‘. Wie anhand von quantitativen Daten, die mit Hilfe des DWDS-Zeitschriftenkorpus DIE ZEIT für den Zeitraum zwischen 1946 und 2009 erhoben wurden, nachvollzogen werden kann, etabliert sich dieser Bedeutungswandel primär in bestimmten Diskursen des deutschen Managements. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts steigt die Häufigkeit einiger Bedeutungsvarianten jedoch nochmal drastisch an und geht nun auch in andere Bereiche des öffentlichen Sprachgebrauchs über. Die skizzierte Entwicklung wird im weitesten Sinne aus der Perspektive des gebrauchsbasierten Sprachwandelmodells betrachtet.Der Fokus wird dabei auf ein besonderes Prinzip von Sprachwandel gelegt, das in Anlehnung an die Bricolage-Theorie von Lévi-Strauss (1968) als funktionale Rekontextualisierung konzeptualisiert wird.