Abstract
Grammatikalisierung ist nach Fischer, Norde und Perridon (2004) ein down the cline gerichteter Prozess. Präzisierend fassen ihn Lehmann (2004) und Harnisch (2004) als Abstieg auf der Skala der Konstruktionsebenen: Phrase – Wort – Klitikon – Affix. Umgekehrt wird De-Grammatikalisierung als up the cline gerichteter Prozess und als Aufstieg auf der Skala der Konstruktionsebenen aufgefasst: Affix – Klitikon – Wort – Phrase. Bei beiden Prozessarten wird der Bereich bedeutungstragender Einheiten (die Sphäre der Morphie) nicht verlassen. Harnisch (2004) bezieht darüber hinaus jedoch die Konstruktionsebene der reinen (bedeutungslosen) Lautsubstanz (die Sphäre der Amorphie) mit ein und betrachtet auch Prozesse, die – down oder up the cline – die Grenze zwischen Morphie und Amorphie überschreiten. Doch anders, als noch bei Harnisch (2004) konzipiert, hat man es bei Prozessen, die down the cline die Grenze zwischen Morphie und Amorphie übertreten, nicht mehr mit Grammatikalisierung zu tun, denn bei diesem Übertritt geht ja Grammatizität, verstanden als explizite Kennzeichnung grammatischer Kategorien, gerade verloren. Umgekehrt hat man es bei Prozessen, die up the cline die Grenze zwischen Amorphie und Morphie übertreten, nicht mehr mit De-Grammatikalisierung zu tun, denn bei diesem Übertritt wird ja gerade Grammatizität, wiederum verstanden als explizite Kennzeichnung grammatischer Kategorien, gewonnen. Die sich hierbei abspielenden Prozesse werden anhand von Beispielen aus den Bereichen Sprachwandel, Fremdwortintegration und Spracherwerb veranschaulicht. Ein Exkurs soll verdeutlichen, dass sich solche Erscheinungen nicht nur in der Flexionsmorphologie abspielen (als De-/Grammatikalisierung) sondern auch in der Wortbildungsmorphologie (als Ent-/Derivationalisierung). Abschließend wird eine Typologie sowohl der Vorgänge vorgeschlagen, die sich innerhalb der Sphäre der Morphie abspielen, als auch der Vorgänge, bei denen die Grenze zwischen Morphie oder Amorphie in der einen oder andern Richtung überschritten wird.